Bischof Oster von Passau

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Öffentlicher Facebook-Auftritt

Sein lesenswerter Artikel über Lagerbildung in unserer Kirche….:

Manche Diskussionen, hier auf dieser Seite und natürlich innerkirchlich quasi fortwährend, haben mich zu folgenden Überlegungen geführt:

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Die Lagerbildung und die neue Identität in Christus

Warum eigentlich? Warum ist in so vielen Gesprächen über Kirche und Glaube der Lieblingsfeind immer der aus dem vermeintlich anderen Lager? Und zwar innerhalb der eigenen Kirche! Warum gibt es für einen Liberalen offenbar nichts Schlimmeres als einen Konservativen und umgekehrt? Warum hoffen wir inständig, hoffentlich nicht mit dem einen Lager identifiziert zu werden, wenn wir uns doch zum anderen zugehörig fühlen? Warum unterstellen wir immer der jeweils anderen Gruppe, am meisten der Kirche oder dem Glauben zu schaden? Warum sitzt der vermeintlich schlimmste Feind in der eigenen Kirche – derjenige, mit dem man auf keinen Fall zu tun haben oder identifiziert werden will?

 

Und ohne es oberflächlich zu wollen, beschäftigen wir uns dann hintergründig eben doch so häufig mit dem anderen „Lager“, als wäre es im Glauben die eigentliche Herausforderung. Und so geschwächt und gebunden von den Lagerkämpfen sind die Herausforderungen dann eben nicht mehr zum Beispiel der Wunsch nach authentischer christlicher Mission oder die Anfragen, die der Buddhismus an uns richtet oder der Islam oder eine säkularer werdende Gesellschaft, oder die Bedeutung der Flüchtlingsströme für die Kirche oder die Naturwissenschaften, oder, oder oder?

Suche nach Identität

Mein Versuch einer Antwort, warum das so ist: Weil gläubige Überzeugung zutiefst mit der eigenen Identität zu tun hat! Und überall, wo Identität nicht aus einer selbstverständlichen und befreiten Tiefe lebt, tendiert sie dazu, sich durch Abgrenzung nach außen abzusichern und durch gegenseitigen Zuspruch von innen zu stabilisieren: Ich weiß, wer ich bin, wenn ich sagen kann, wer ich auf keinen Fall bin! Und wenn wir uns gegenseitig bestätigen, dass wir nicht so sind wie die anderen und zusätzlich ein paar eigene Identitätsmarker haben, dann wissen wir noch besser, wer wir sind.

Solche inneren, psychischen Mechanismen sind bleibend in uns, in allen! Denn der nur natürliche Mensch in mir kann nicht wirklich leben ohne Bestätigung von außen. Und je mehr wir uns gegenseitig bestätigen einerseits und miteinander voneinander abgrenzen andererseits, stabilisieren wir unsere nur natürliche Identität – und mit ihr eben allzu oft auch das, was wir für christliche Identität halten! Das Problem: Beide „Lageridentitäten“ (!) sind gerade nicht das, was Jesus über-natürlich uns als neues Leben, neue Geburt, als neue Identität schenken wollte.

Der gegenseitige Verdacht lautet (recht schematisch): Die einen sichern und bestätigen sich selbst in der reinen Doktrin, im kirchlichen Recht, im bloß liturgischen Vollzug und bleiben im Grunde unfähig, hinauszugehen und dem anderen (egal wem!) wirklich die Füße zu waschen. Die anderen sind die Praktiker, die vor lauter Füßewaschen vergessen, wem sie dienen und was sie eigentlich glauben – und machen so das Füßewaschen am Ende auch nur zum Instrument der eigenen Selbstbestätigung oder zur Aufrechterhaltung des Betriebs. Die einen betonen deshalb auch den lieben, sanftmütigen Jesus, der in Sandalen übers Land gezogen ist, die Menschen geheilt und die Kinder gesegnet hat. Die anderen betonen den strengen Jesus, der das Gericht angesagt, der kein Jota vom Gesetz verändert wissen wollte und mit Hölle und Verdammnis gedroht hat.

Warum merken wir einerseits, dass damit keiner so ganz Recht hat und dass aber trotzdem der Verdacht dem jeweils anderen gegenüber auch nicht so völlig unbegründet ist? Sind nicht die Überfrommen tatsächlich oft lieblos und leben nicht die Edelpraktiker oft viel zu wenig aus authentischem Glauben und Gebet? Ist nicht am gegenseitigen Verdacht am Ende doch etwas dran?

Die Heiligkeit Gottes

Wieder ein Versuch einer Antwort: Die Lagerbildung forciert sich, je mehr wir die Heiligkeit aus dem Blick und dem Herz verlieren; die Heiligkeit Gottes, die Heiligkeit Jesu einerseits, und unsere Sehnsucht, in dieser Heiligkeit wirklich sein und leben zu dürfen – und selbst ein Widerschein von ihr zu sein andererseits. Nur in der Heiligkeit Gottes sind Wahrheit und Liebe, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit kein Widerspruch. Der absolut Andere, der majestätische, der unfassbare, unnahbare Gott, macht sich selbst zu einem absolut Nicht-Anderen für uns. Er geht in uns ein, macht sich mit uns gemein, lässt sich zum Abschaum unserer Welt machen. Und bleibt dabei dennoch der Heilige Gott, der Wahre, der Erschreckende, der Unbezähmbare, der Richtende, der alles andere als Harmlose – und zugleich (!) immer der absolut Barmherzige, Liebende.

Wir ahnen, worum es für uns geht, wenn wir auf große Gestalten des Glaubens schauen: Warum ist Pater Maximilan Kolbe, warum ist Mutter Teresa von beiden Lagern so unumstritten akzeptiert? Beide – von außen gesprochen – stockkonservativ, und beide lebendige Hingabe mit ihrem ganzen Leben: Wahrheit, die sich als Liebe verschwendet! Nicht, weil sie sich gegen irgendwas irgendwie abgrenzen mussten, sondern weil sie ihre lebendige, befreite, neue, tiefe Identität schlicht aus dem Sein in Christus empfangen hatten. Die wahre Freiheit kommt aus Ihm, nur aus Ihm. Aus demjenigen, der zugleich Lamm Gottes ist, das sich schlachten lässt (Offb. 5,6), und Löwe von Juda (Offb 5,5), der mit dem Hauch seines Mundes tötet und richtet (2 Thess 2,8). Jesus, der Heilige Gottes, alles andere als harmlos, absolut herausfordernd, aber absolut gut – und er macht alles neu. Und täuschen wir uns nicht: Die Schrift sagt: „Strebt voll Eifer nach Frieden mit allen und nach der Heiligung, ohne die keiner den Herrn sehen wird“ (Hebr 12,14).

Das Geschenk der neuen Identität

Das Evangelium von gestern (Joh 21, 15-17) macht es deutlich: Auf die dreifache Frage des Herrn an Petrus: Liebst du mich? folgt die Rückgabe des Amtes an ihn: Weide meine Schafe! Die Liebe zu Christus führt zum Sein in Ihm, in die Nähe zu Ihm, in die Freundschaft zu Ihm. Und erst diese innere Verbindung mit dem Heiligen Gottes (Joh 6,69) führt uns in immer neue Demut und Umkehr, aber letztlich auch in echte geistliche Autorität des Amtes – die so viel mehr ist als nur hohles Pochen auf das Dogma. Wahrheit, Amt, Gesetz, Dogma ohne Liebe ist grausam! Barmherzigkeit, Liebe, Zuwendung ohne Wahrheit verdient den Namen nicht, weil es in die Beliebigkeit führt. Nicht die abstrakt gewusste Wahrheit befreit zur Liebe, sondern das Vertrauen und die Liebe zu einer Person, die von sich gesagt hat: „Ich bin die Wahrheit“ (Joh 14,6). Dieses Vertrauen ( = Glaube) macht auf neue Weise liebesfähig und fähig zum Leben im Sieg ! Dieses neue Leben braucht nicht mehr fortwährende Sicherung der Identität durch Abgrenzung und Bestätigung. Dieses Leben lebt aus neuer Identität (2 Kor 5,17), aus neuer Geburt (Joh 3,3), aus der Übergabe des Lebens an Ihn (Mk 8,35). Erst das Sein in Christus versöhnt Wahrheit und Liebe.

Was wäre also nötig? Aus meiner Sicht: Gemeinsam (!) demütig in die Tiefe gehen und wirklich den Herrn selbst suchen und lieben lernen, Ihm immer neu unser Herz öffnen und anbieten – zur eigenen Wandlung. Preisgabe des Wunsches, sich innerweltlich die selbst gewünschte Identität durch Bestätigung zu sichern, dafür leben unter Seinem liebenden Blick, Kind-sein und Kind-sein dürfen vor Ihm. Es ist die wichtigste Beziehung unseres Lebens. Aber es geht um den ganzen, nicht den verkürzten Jesus; um den, den die Kirche seit jeher verkündet und der sich von der Kirche seit jeher verschenken lässt, besonders im eucharistischen Geheimnis. Erst so kann sich auch in unserem oft so armseligen, nach Bestätigung heischenden Christenleben erweisen, dass der Sieg der Wahrheit die Liebe ist. Und dann brauchen wir auch innerkirchlich irgendwann hoffentlich keinen Feind mehr….